Interview
Interview mit Mario Gomez/Christian Gentner
"Vollgas geben - und auf die Chance hoffen"
"Der VfB Stuttgart macht aus der Not wieder eine Tugend und setzt auf die Jugend. Mario Gomez und Christian Gentner (beide 19) haben bei Trainer Matthias Sammer derzeit die besten Chancen, den Sprung ins Profiteam zu schaffen. Beide sind sich einig: "Wir können es packen!"
Sind Sie froh, dass der Wechsel von Piotr Trochowski vom FC Bayern zum VfB Stuttgart aus finanziellen Gründen geplatzt ist?
Christian Gentner: Sicher ist man froh. Das wäre ein Spieler auf meiner Position im linken offensiven Mittelfeld gewesen. So aber hoffe ich, dass meine Chancen, es bei den Profis zu packen, gestiegen sind.
Mario Gomez: Trochowski ist ja kein Stürmer. Daher ist es mir eigentlich egal.
Andererseits hat dieser geplatzte Transfer auch eine gewisse Signalwirkung. Präsident Erwin Staudt sagt: Wie hätte ich den Millionen-Transfer meinen jungen Spielern erklären sollen, die genauso gut sind?
Christian Gentner: Wenn der Präsident das sagt, ist das natürlich ein weiterer Ansporn für uns. Auf der anderen Seite hätte ich auch Verständnis, wenn der Verein Trochowski gekauft hätte. Der VfB Stuttgart muss nicht danach schauen, möglichst viele Jugendspieler rauszubringen, sondern er muss erfolgreich sein.
Wie schätzen Sie Ihre Perspektiven ein, was sagt Trainer Matthias Sammer zu Ihren Chancen?
Christian Gentner: Ich glaube, bis jetzt ist der Trainer recht zufrieden mit uns. Ich denke schon, dass wir hier mithalten können.
Mario Gomez: Wir müssen jetzt halt dranbleiben, Vollgas geben und hoffen, dass wir unsere Chance bekommen. Vielleicht habe ich ja dann das Quäntchen Glück, mal ´ne Kiste zu machen. So wie damals Kevin. Nach seinem ersten Tor ging alles sehr schnell.
Wie verkraften Sie die Belastung im Trainingslager?
Mario Gomez (grinst): Ich habe ja schon ein Trainingslager mit Felix Magath erlebt - das habe ich auch überlebt.
Christian Gentner: Die Belastung ist auszuhalten. Der einzige Unterschied ist nur das höhere Spieltempo.
Von wem profitieren Sie am meisten - von einem Routinier wie Zvonimir Soldo oder den Tipps der jungen Spieler, die erst kürzlich eine ähnliche Situation erlebt haben?
Christian Gentner: Ich lerne von allen. Aber im Prinzip musst du dir letztlich selbst helfen und die Augen aufmachen.
Mario Gomez: Stimmt. Die Konkurrenz ist groß, vor allem im Sturm herrscht eine große Dichte. Da musst du dich halt durchsetzen und besser sein als die anderen.
Blicken Sie mit Neid nach England? Dort scheinen es junge Spieler leichter zu haben, sich bei den Profis durchzusetzen.
Mario Gomez: Das sehe ich nicht so.
Christian Gentner: Ich glaube auch nicht an diese Theorie. Der einzige Unterschied ist, dass bei zwei gleich guten Spielern in der Regel der jüngere den Vorzug bekommt.
Was hat Ihnen der Amateur-Trainer Rainer Adrion mit auf den Weg nach Marbella gegeben?
Mario Gomez: Haut euch rein und zeigt, was ihr könnt!
Wie wichtig ist Rainer Adrion für die Entwicklung eines jungen Spielers?
Christian Gentner: Für mich persönlich war er ganz wichtig. Unter ihm habe ich zunächst den Sprung ins Amateurteam geschafft, und dort habe ich dann fast alle Spiele durchgespielt.
Haben Sie in der kurzen Zeit auch schon Schattenseiten des Profi-Fußballs kennen gelernt?
Christian Gentner: Absolut nicht. Anfangs dachte ich, meine Amateurkollegen würden mich jetzt mit anderen Augen anschauen. Aber das war nicht der Fall. Alles läuft gut.
Sie setzen also alles nur auf die Karte Profi-Fußball. Oder gibt es einen Plan B?
Mario Gomez: Ich habe die Fachhochschulreife gemacht. Wenn es nicht klappt, werde ich wohl irgendetwas mit Sport studieren. Aber ich gehe davon aus, dass ich es packe.
Christian Gentner: Bei mir ist es ganz genauso: Ich habe zwar die Fachhochschulreife, aber ich setze im Moment alles auf eine Karte.
Und wovon träumen Sie?
Christian Gentner: Davon, wovon fast jeder junge Fußballer träumt: vom ersten Bundesliga-Spiel für den VfB."
(Stuttgarter Nachrichten 12. Januar 2005)